Geldanalysen bei Marx und heutige Kritik

Karl Marx und seine Kapitalismuskritik sind im Jubiläumsjahr 2018 zwar en vogue. Doch welche geldsystembedingten verteilungs- und machtpolitischen Probleme müsste eine auf die derzeitigen Realitäten bezogene »Kritik der politischen Ökonomie« notwendigerweise thematisieren? Die Hans-Böckler-Stiftung hat mich eingeladen, auf ihrer Marx-Tagung im April 2018 genau darüber zu referieren und einen gesellschaftskritischen Beitrag zur Analyse des Kapitalismus zu leisten.

Marx, das Geld und die blinden Flecken

Seit dem Altertum streiten die Intellektuellen über die Natur und das Wesen des Geldes. Auch Karl Marx beschäftigte sich als Philosoph und ökonomischer Vordenker umfangreich mit geldtheoretischen Problemstellungen. Davon zeugen nicht nur seine berühmte Werttheorie, sondern auch die hochkontroversen Debatten zwischen »Banking-« und »Currency-Schule«, bei der er sich klar gegen die »Quantitätstheorie« letzterer positionierte. Obwohl auch Marx Geld als Ware modellierte und bevorzugt mit Goldäquivalenten arbeitete, verfiel er nicht dem bis heute in der universitären Volkswirtschaftslehre und schulischen Wirtschaftskunde dominierenden Irrglauben, »Geld« als neutrales und vernachlässigbares Phänomen anzusehen. Im Gegensatz zu solchen Warentheorien sind allerdings Kredittheorien des Geldes für die Beschreibung einer immer komplexer werdenden »Geldwirtschaft«, ihrer systemischen Risiken und krisenförderlichen Dynamiken weitaus erklärungsmächtiger. Neben den schon bei Marx prominent thematisierten Verteilungsfragen des gesellschaftlichen Reichtums und erarbeiteten Mehrwertes sollten heutzutage jedoch auch die in der herrschenden Geld(un)ordnung wurzelnden Fragen der Verteilung, Mitbestimmung und politischen Zukunftsgestaltung stärker berücksichtigt werden.

Denn ebenso wie der ökonomische Mainstream im zeitlichen Kontext des jüngsten globalen Finanzmarktcrashs von 2007/08 waren Karl Marx und viele seiner Zeitgenossen blind, was die sozioökonomischen Verwerfungen und demokratietheoretischen Aspekte des fraktionalen Reservesystems betrifft. Durch Digitalisierung der Zahlungsmittel, fortschreitende Entstaatlichung der Geld­emission, Zunahme des so genannten Schattenbankensektors sowie eine immer autoritärere und technokratischere Geld- und internationale Staatsschuldenpolitik haben sich diese Probleme in den letzten 150 Jahren sogar noch verstärkt. In der gegenwärtigen Krisensituation ist es daher von höchster gesellschaftlicher Relevanz, zu verstehen, wie und für wen das gegenwärtige Geldsystem als Zusammenspiel von öffentlichen und privatkapitalistischen Akteuren funktioniert, um adäquate demokratische, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Lösungsstrategien entwickeln zu können.

Zielstellung und Methodik

Der Vortrag basiert auf neuesten Forschungsergebnissen meines Promotionsprojektes und greift im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Ansatzes der politischen Ökonomie interdisziplinär auf Methoden und Herangehensweisen aus den Politik-, Geschichts-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften sowie der Soziologie zurück. Nach einer kurzen kritischen Einführung zum geldtheoretischen Forschungsbeitrag von Karl Marx werde ich thesenartig und in Grundzügen die monetären Aspekte beleuchten, auf die eine moderne »Kritik der politischen Ökonomie« eingehen müsste. Das sind die geldsystembedingten Verteilungs- und Machtfragen, wer welches Geld emittiert, wer von diesem Privileg profitiert, wer im Falle von »Bank-Runs« oder Bankinsolvenzen die Risiken trägt, wer über die geldpolitischen und damit bisweilen auch wirtschafts- und sozialpolitischen Weichenstellungen entscheidet und inwieweit das Eurosystem auf demokratischer Legitimation, Verantwortlichkeit und Repräsentation des Demos fußt.

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