In den letzten Wochen kam wieder etwas Bewegung in die Debatte des isländischen Parlaments um eine Geldkommission. Quasi kurz vor Toresschluss, denn es soll noch in diesem Herbst Neuwahlen geben.
Was bisher geschah
Vor über einem Jahr, am 24. September 2015, startete Frosti Sigurjónsson von der regierenden »Fortschrittspartei« zusammen mit zehn weiteren Unterstützer*innen aus allen im Althing vertretenen Parteien außer der mitregierenden »Unabhängigkeitspartei« eine parlamentarische Initiative, die unter dem Titel »Vorschlag einer Parlamentserklärung zur Reform des Geldschöpfungsmechanismus« (»Tillaga til þingsályktunar um umbætur á fyrirkomulagi peningamyndunar«) firmiert.[1] Wenngleich Sigurjónsson als international bekanntester Geldreformer aus Island für »Sovereign Money« (»þjóðpeningar«) wirbt, besteht das erklärte Ziel erst einmal nur darin, parteiübergreifend den bestehenden Ist-Zustand der Geldherstellung und etwaige Reformideen eingehender zu debattieren und schließlich konkrete Veränderungsvorschläge zu unterbreiten. Dafür sah der Antrag eine temporäre Geldkommission des Althing vor, bestehend aus einem Mitglied aus jeder der sechs Fraktionen. Die Fragen, ob und, wenn ja, wie die »Geldschöpfung« vollständig verstaatlicht werden sollte, stehen in dieser frühen Phase noch gar nicht an.
Die erste Lesung im Plenum fand am 17. Februar 2016 statt. Frosti Sigurjónsson und sein Parteifreund Willum Þór Þórsson sprachen dabei für die Antragsteller*innen. Seitdem liegt der Fall zur weiteren Beratung auf dem Tisch des zuständigen Wirtschafts- und Handelsausschusses, dem Sigurjónsson vorsitzt, während Þórsson dort zweiter stellvertretender Vorsitzender ist. Obwohl im Frühjahr dieses Jahres die letzten externen Stellungnahmen eingetroffen waren, galt lange Zeit die Devise: still ruht der See. Der legislative Prozess kam nicht voran. Die weitere Behandlung wurde immer wieder verschoben, bis sich der Wirtschaftsausschuss am 21. September wieder mit dem Fall befasste. Denn bevor es im Parlament zur zweiten Lesung und schließlich zur finalen Entscheidung kommt, muss er – so ist das übliche Prozedere – zunächst seine Stellungnahme und Beschlussempfehlung abgeben.
Wie ist der Stand in punkto Geldkommission?
Doch dazu kam es leider bis heute nicht. Mittlerweile brachten zwar Sigurjónsson, Þórsson, Líneik Anna Sævarsdóttir (»Fortschrittspartei«) sowie Katrín Jakobsdóttir, die Vorsitzende der »Links-Grünen Bewegung«, einen Ausschussbericht ein, der dem Parlament die Zustimmung zum Vorschlag in geänderter Form empfiehlt. Allerdings gelang ihnen das Ende September nur auf dem Wege eines Minderheitenvotums. Interessanterweise, übrigens, fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Initiierung dieses parlamentarischen Prozesses.
Man muss dazu wissen, dass es in der isländischen Geldreformdebatte trotz gewisser Offenheit vieler Akteure auch starke Vetospieler gibt. Während sich die »Fortschrittspartei« an einer Verstaatlichung der Gelderzeugung und des damit verbundenen Gewinns, der so genannten »Seigniorage«, sehr interessiert zeigt, möchte die konservative »Unabhängigkeitspartei«, mit der sie koaliert, das Geldsystem möglichst so belassen, wie es ist. Profitorientierte Geschäftsbanken sollen ihrer Meinung nach weiterhin Geld »schöpfen« und damit machen können, was sie wollen. Folglich blockiert die Mitte-Rechts-Partei der traditionellen Eliten das Vorhaben und das bis zum heutigen Tag.[2]
Neben der durch die vorgezogenen Neuwahlen davon laufenden Zeit trug diese ablehnende Haltung der »Unabhängigkeitspartei« maßgeblich dazu bei, dass es bisher nicht zum erforderlichen Gesamtvotum und zur abschließenden Behandlung im Plenum des Althing kam.[3]
Endnoten
[1] Vgl. dazu die Dokumente und den Fortgang der parlamentarischen Initiative auf der diesbezüglichen Webseite »Umbætur á fyrirkomulagi peningamyndunar«. [onl. im Int.] Reykjavík: Alþingi [Abruf: 04.10.2016].
[2] Vgl. Tea after Twelve/Frosti Sigurjónsson (2016): Revolutionising Money. Taking the power away from the banks. [onl. im Int.; Interview] In: Tea after Twelve, Nr. 4: Money Money, Kap. 1: Remodelling Money [Abruf: 04.10.2016].
[3] Hierzu laufen noch Rechercheanfragen.
Schreib einen Kommentar
Erstellt am 4. Oktober 2016 von Enrico Schicketanz
Neues zur (un)gewollten Geldkommission
In den letzten Wochen kam wieder etwas Bewegung in die Debatte des isländischen Parlaments um eine Geldkommission. Quasi kurz vor Toresschluss, denn es soll noch in diesem Herbst Neuwahlen geben.
Was bisher geschah
Vor über einem Jahr, am 24. September 2015, startete Frosti Sigurjónsson von der regierenden »Fortschrittspartei« zusammen mit zehn weiteren Unterstützer*innen aus allen im Althing vertretenen Parteien außer der mitregierenden »Unabhängigkeitspartei« eine parlamentarische Initiative, die unter dem Titel »Vorschlag einer Parlamentserklärung zur Reform des Geldschöpfungsmechanismus« (»Tillaga til þingsályktunar um umbætur á fyrirkomulagi peningamyndunar«) firmiert.[1] Wenngleich Sigurjónsson als international bekanntester Geldreformer aus Island für »Sovereign Money« (»þjóðpeningar«) wirbt, besteht das erklärte Ziel erst einmal nur darin, parteiübergreifend den bestehenden Ist-Zustand der Geldherstellung und etwaige Reformideen eingehender zu debattieren und schließlich konkrete Veränderungsvorschläge zu unterbreiten. Dafür sah der Antrag eine temporäre Geldkommission des Althing vor, bestehend aus einem Mitglied aus jeder der sechs Fraktionen. Die Fragen, ob und, wenn ja, wie die »Geldschöpfung« vollständig verstaatlicht werden sollte, stehen in dieser frühen Phase noch gar nicht an.
Die erste Lesung im Plenum fand am 17. Februar 2016 statt. Frosti Sigurjónsson und sein Parteifreund Willum Þór Þórsson sprachen dabei für die Antragsteller*innen. Seitdem liegt der Fall zur weiteren Beratung auf dem Tisch des zuständigen Wirtschafts- und Handelsausschusses, dem Sigurjónsson vorsitzt, während Þórsson dort zweiter stellvertretender Vorsitzender ist. Obwohl im Frühjahr dieses Jahres die letzten externen Stellungnahmen eingetroffen waren, galt lange Zeit die Devise: still ruht der See. Der legislative Prozess kam nicht voran. Die weitere Behandlung wurde immer wieder verschoben, bis sich der Wirtschaftsausschuss am 21. September wieder mit dem Fall befasste. Denn bevor es im Parlament zur zweiten Lesung und schließlich zur finalen Entscheidung kommt, muss er – so ist das übliche Prozedere – zunächst seine Stellungnahme und Beschlussempfehlung abgeben.
Wie ist der Stand in punkto Geldkommission?
Doch dazu kam es leider bis heute nicht. Mittlerweile brachten zwar Sigurjónsson, Þórsson, Líneik Anna Sævarsdóttir (»Fortschrittspartei«) sowie Katrín Jakobsdóttir, die Vorsitzende der »Links-Grünen Bewegung«, einen Ausschussbericht ein, der dem Parlament die Zustimmung zum Vorschlag in geänderter Form empfiehlt. Allerdings gelang ihnen das Ende September nur auf dem Wege eines Minderheitenvotums. Interessanterweise, übrigens, fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Initiierung dieses parlamentarischen Prozesses.
Man muss dazu wissen, dass es in der isländischen Geldreformdebatte trotz gewisser Offenheit vieler Akteure auch starke Vetospieler gibt. Während sich die »Fortschrittspartei« an einer Verstaatlichung der Gelderzeugung und des damit verbundenen Gewinns, der so genannten »Seigniorage«, sehr interessiert zeigt, möchte die konservative »Unabhängigkeitspartei«, mit der sie koaliert, das Geldsystem möglichst so belassen, wie es ist. Profitorientierte Geschäftsbanken sollen ihrer Meinung nach weiterhin Geld »schöpfen« und damit machen können, was sie wollen. Folglich blockiert die Mitte-Rechts-Partei der traditionellen Eliten das Vorhaben und das bis zum heutigen Tag.[2]
Neben der durch die vorgezogenen Neuwahlen davon laufenden Zeit trug diese ablehnende Haltung der »Unabhängigkeitspartei« maßgeblich dazu bei, dass es bisher nicht zum erforderlichen Gesamtvotum und zur abschließenden Behandlung im Plenum des Althing kam.[3]
Endnoten
[1] Vgl. dazu die Dokumente und den Fortgang der parlamentarischen Initiative auf der diesbezüglichen Webseite »Umbætur á fyrirkomulagi peningamyndunar«. [onl. im Int.] Reykjavík: Alþingi [Abruf: 04.10.2016].
[2] Vgl. Tea after Twelve/Frosti Sigurjónsson (2016): Revolutionising Money. Taking the power away from the banks. [onl. im Int.; Interview] In: Tea after Twelve, Nr. 4: Money Money, Kap. 1: Remodelling Money [Abruf: 04.10.2016].
[3] Hierzu laufen noch Rechercheanfragen.
Kategorie: Reformen & Alternativen Tags: Althing, Frosti Sigurjónsson, Geld, Geldschöpfung, Island, Macht, Seigniorage, Sovereign Money
Was suchen Sie?
Wer schreibt hier?
• Doktorand der Sozialwissenschaften
• Geldsystemforscher
• Historiker
• freier Dozent & Trainer
• sozial-ökologisch Engagierter
Schreiben Sie mir
Lesen Sie das Neueste
Meine Themen
Meine Artikel